Pause: Zeit für einen Rückblick
Alles bleibt sauteuer - aber die Proteststimmung ist verpufft. Und so ist es auch um Genug ist Genug in den letzten Wochen ruhig geworden. Im Zoom letzte Wochen haben wir uns ausgetauscht: Die Kampagne wird pausiert, einige Ortsgruppen machen weiter!
Safe the Date: Nächster bundesweiter Austausch 28.09., 19-20 Uhr - Zoomlink
Was haben wir erreicht? Genug ist Genug hat sich gegründet, weil wir im Spätsommer 2022 in eine Energiekrise und Inflation rutschten, ohne die genauen Ausmaße zu erahnen. Klar war nur, dass die Politik der Bundesregierung die Krise auf unserem Rücken abladen wollte und wir dabei nicht zusehen konnten. Schnell schlossen sich Tausende auf Social Media dem Slogan »Genug ist Genug« an, spontan bildeten sich Ortsgruppen, politische Organisationen wurden zu Bündnispartnern. Ab Oktober begannen wir bundesweit mit Rallys: Saalkundgebungen, bei denen vor allem Betroffene und Beschäftigte zu Wort kamen. Dennoch blieben massenhafte Proteste aus: Der Druck der Straße war groß genug, die Bundesregierung zum Handeln zu zwingen, wenn auch nicht so wie gefordert.
Die Maßnahmenpakete der Bundesregierung waren zwar für die meisten nicht ausreichend, aber sie reichten doch, um größeren Protest zu vermeiden. Die starke Kritik der ersten Wochen hätten wir aufrechterhalten müssen. Außerdem haben wir es wie viele andere Krisenbündnisse nur begrenzt geschafft, weit über unsere gewöhnlichen Kreise hinaus Menschen zu erreichen. Größere Organisationen wie Gewerkschaften schlossen sich nur vereinzelt an. Für uns war klar, dass wir nach dem Winter die Streiks bei der Post, der Bahn und im öffentlichen Dienst unterstützen würden, weil Arbeitskampf eines der mächtigsten Mittel ist, uns etwas vom Kuchen zurückzuholen.
Es gibt in Deutschland wenig Praxis für eine breite öffentliche Unterstützung von Streiks, wir haben hier also gemeinsam Neuland betreten. Wir haben es geschafft, mehr öffentliche Aufmerksamkeit und Unterstützung von außen für die Streiks zu schaffen. Das ist ein Erfolg. Uns war wichtig, die Krise nicht als Naturgesetz, sondern als Klassenkampf von oben auszudrücken und Menschen zu ermutigen, sich dagegen zu wehren. Sollte es bei einigen gelungen sein, sich zusammenzuschließen statt zu vereinzeln, ist das ein Erfolg. Es ist ein wichtiger Schritt für die Linke, die in kommenden Kämpfen darauf aufbauen kann.
Unser Anspruch, die Wut in Organisierung zu kanalisieren, war richtig, aber die Strukturen dafür aufzubauen geht nicht in wenigen Wochen. Kaum beschäftigten wir uns mit dem Aufbau der eigenen Strukturen, verfiel das politische Momentum für den Protest. Eine Kampagne hat immer auch einen Zeitkern und eine bestimmte Mission. Unsere war es, auf die Energiekrise schnell zu reagieren. Und wir wussten auch, dass die Kampagne bis zu den anstehenden Streiks dauern müsste, um wirklich einen Inflationsausgleich zu fordern. Die langfristige Organisierung, die wir uns wünschen, kann eine solche Kampagne jedoch nicht dauerhaft leisten. Dazu braucht es Organisationen oder tragfähige Bündnisse vor Ort mit eben solchen tragfähigen Schultern. Eine Kampagne selbst kann auch enden, wenn sie ihren Zweck fürs Erste erfüllt hat.
Was kommt als nächstes? Jetzt stehen wir vor einer paradoxen Situation: Obwohl weit mehr Menschen unter der andauernden Krise und Inflation leiden als noch im Herbst und einige der Heizkostenabrechnungen vermutlich jetzt erst ins Haus flattern, sind viele erschöpft und nach den Streiks ist eine gewisse Ernüchterung eingetreten. Das Level an Aktivität können wir also nicht dauerhaft halten. Obwohl die Kolleginnen und Kollegen bei der Bahn oder auch im Handel noch weiter in Auseinandersetzungen stecken, hat die Mobilisierung bundesweit und auch in den Ortsgruppen stark nachgelassen. Für unseren Protest gibt es gerade wenig gesellschaftliche Resonanz. Wir unterstützen natürlich weiterhin alle Streiks der Beschäftigten und gemeinsame Aktionen unter dem Banner von Genug ist Genug. Wenn ihr etwas in eurer Ortsgruppe organisiert - macht das unbedingt weiter! Uns ist aber auch wichtig, dass wir sorgsam mit unseren Ressourcen und der politischen Verantwortung umgehen.
Viele spüren, dass gerade nicht der Moment für großen Protest ist. Sollte sich diese Stimmung im Zuge des erneuerten Sparkurs der Bundesregierung ändern, stehen wir bereit, um die neuen Bündnisse wieder aufleben zu lassen. Deshalb werden wir am Donnerstag, 28.09.2023 19 bis 20 Uhr erneut als Aktive digital Zoomlink zusammenkommen und diskutieren, ob und wie es weitergehen kann.
Bis dahin könnt ihr gern weiterhin die Kanäle eurer Ortsgruppe nutzen und im regelmäßigen Austausch mit uns bleiben. Denn die nächste Krise kommt und wir sollten beim nächsten Mal besser vorbereitet sein - daher ist eins klar: Die Strukturen bleiben!